Es ist davon auszugehen, dass unserer Art der „tierischen“ Freizeitbeschäftigung mehr noch als in früheren Zeiten dazu dient, bei den besonders Rührigen eine innere Befriedigung und Selbstbestätigung auszulösen. Alle mit unserer Passion verbundenen Ausübungen unterliegen zudem keiner Verpflichtung, was bedeutet, dass Anfang und Ende der Handlungen frei gewählt werden kann. Auch wenn ein Hobby, wie in unseren Kreisen ausgeübt, heute kaum noch als „Zubrot“ dient, soll heißen, möglichst Geld damit verdienen zu müssen, darf gelegentlich eine gewisse Gegenleistung für vielfältige und ideenreiche Aktivität zurückfließen. Wenn der Lohn für derart Betriebsamkeit vornehmlich auch nur im ideellen Bereich liegt, sollte der unvermeidliche monetäre Einsatz nicht nur in die negative Richtung zielen, sondern darf sich irgendwie ein wenig ausgleichen.
So kann beispielsweise der Beobachter unseres Wirkungskreises bei den alljährlich überall im Lande stattfindenden Ausstellungen erleben, wenn Aussteller ihren „Gewinn“ in Form irgendeiner Auszeichnung „einfahren“, wie sie mit fröhlichem Gesicht ihren Stolz bekunden. Wird der Preis für die geleisteten Mühen nun nicht nur schlicht gewonnen, sondern dieser mit netten und ehrenden Worten, möglichst von „ranghoher“ Persönlichkeit überreicht, hat die sich Sache erst recht gelohnt, und wird vielfach mehr als schnöder Mammon eingestuft.
Nun beschäftigt sich ein Teil unserer Getreuen nicht nur mit dem charakteristischen Wesen unseres Verbandes, sprich der Züchtung von Rassekaninchen, sondern ermöglicht durch ihr ehrenamtliches Dazutun, dass das Zusammenspiel aller Ebenen und Komponenten überhaupt erst funktioniert und den beabsichtigten Sinn ergibt. Gelegentlich erhalten diese Mitstreiter, die man landläufig als Funktionäre bezeichnet, als Belohnung für ihre langjährigen, bzw. über ein gewohntes Maß hinausgehenden Leistungen, eine außergewöhnliche Ehrung. Wenn man es den Geehrten oft auch nicht anmerkt, wird durch derlei Huldigung, die Seele schmeichelnd, das Bewusstsein der persönlichen Wertigkeit hervor gekitzelt.
In der Rubrik „Personalien“ der Kaninchenzeitung kommt gelegentlich der läppische Spruch „tue Gutes, aber sprich darüber“ zur Geltung, denn bis in den letzten Winkel des Landes wird den Lesern mitgeteilt, wen das dazu bestimmte Gremium für eine Ehrung auserkoren hat. So erfährt man über neu vergebene Meister- und Ehrenmeistertitel, Ehrenmitgliedschaften oder gar der Verleihung eines Ehrenbriefs. In seltenen Ausnahmen, wenn Jemand weit mehr als alles Dagewesene überragt hat, gab es sogar Fälle, dass goldene Ehrenringe oder besondere Medaillen überreicht wurden.
Im Falle des vielfach ausgezeichneten Karl MARPMANN, den langjährigen Verband-Repräsentanten und Bearbeiter des sogenannten „Sprechsaals“ des legendären Fachblatts „Der Kaninchenzüchter“, vom einstigen Verlag Dr. Friedrich Poppe in Leipzig, folgte die Ehrung einst noch posthum. Ihm zu Ehren wurde eine Medaille mit seinem Antlitz geschaffen, die später in den Klassen Gold, Silber und Bronze an besonders verdienstvolle Persönlichkeiten vergeben wurde. (Abb. 1)

MARPMANN, der am 2. Januar des Jahres 1859 in dem südlich der Lippe gelegenen, nicht mehr existierenden Dorf Harbede geboren wurde, hat sich durch eine über Jahrzehnte andauernden Einsatz für die organisierte Rassekaninchenzucht einen derart unvergesslichen Namen gemacht, dass man gelegentlich von ihm sogar als „Vater der westfälischen Kaninchenzucht“ sprach. So darf es einen auch nicht verwundern, dass man sich im damaligen Landesverband Westfalen/Lippe verpflichtet sah, die beinah jährlich stattfindenden LV-Schauen ihn zu Ehren als „Karl-MARPMANN-Schau“ zu deklarieren.
Karl MARPMANN, Lehrer in Wiescherhöfen, welches später dem Amt Pelkum zugeordnet und schließlich ein Stadtbezirk der Stadt Hamm wurde, war in der bereits 1762 errichteten, unweit der Selmigerheide gelegenen evangelischen Westschule, ab 1888 mit bescheidener Besoldung für sein ganzes Berufsleben tätig.
Der als bodenständig geltende MARPMANN, dem nicht nur in besonderer Weise das Lesen und Schreiben gegeben war, gehörte in seiner Gegend zu den Honoratioren. So wurde er, wie es einst an den Schulen und weiterführenden Anstalten Sitte war, demutsvoll mit „Herr Hauptlehrer“ angesprochen. Der gottesfürchtige MARPMANN betätigte sich viele Jahre lang in der örtlichen Jakobuskirche als Organist und war neben weiteren Aufgaben auch in der Vorstandsmannschaft des 1904 gegründeten Turnsportvereins Pelkum engagiert, den er als Gründungsmitglied sogar in den Jahren 1907 bis 1912 als 1. Vorsitzender anführte.
Aus seiner Ehe mit der zehn Jahre jüngeren, aus Bielefeld stammenden Frau Martha Bökamaier, ging 1893 der Mutter gleichbenannte Tochter hervor. Es ist anzunehmen, dass der hier behandelte Pädagoge seine Familie bei der aktiven Kaninchenhaltung eigebunden hat, denn wie sollte es sonst bei der Fülle von Nebenbeschäftigungen gegangen sein.
Marpman gehörte zu den ersten, die Anfang der 1880 Jahre einen „Betrieb“ mit frisch importierten „Flandrischen Riesenkaninchen“ aufbaute, welche bald unter dem Begriff „Belgische Riesen“ kursierten und nach 1937 die heutige Bezeichnung „Deutsche Riesen“ erhielten. MARPMANNs Beobachtungen und Erkenntnisse ließen ihn zum Spezialisten hinsichtlich dieser Rasse werden, was später dazu führte, seine Erfahrungen in einigen, mehrfach neu aufgelegten Monografien festzuhalten.
So erschien 1920 die 52 seitige Broschur „Das Belgische Riesenkaninchen“ bereits in der achten, verbesserten Auflage. Der Vertrieb wurde in der Reihe „Dr. F. Poppes Bibliothek für Kaninchenzüchter“ ausführt.
Einige bibliophile Züchter, gemeint sind die, welche seltene oder historisch wertvolle Bücher sammeln, haben sicherlich auch von MARPMANN „Das belgische Riesenkaninchen, seine Zucht und Pflege“ in ihrem Fundus. Oder etwa den 128seitigen Titel „Die rationelle Rasse-Kaninchenzucht mit besonderer Berücksichtigung der Zucht auf Fleischtiere und der Schlachtzucht“, vertrieben von der Ernst’schen Verlagsbuchhandlung in Leipzig, welcher mit dem Untertitel „ein Handbuch für angehende Züchter von einem erfahrenen Praktiker“ an die Interessenten ging. (Abb. 2)

Paul Starke(1895-1905) veröffentlichte 1899 erstmals sein Buch „Praktische Kaninchen-Zucht“, auf welches stets in den späteren großen Nachschlagewerken anderer namhafte Verfasser hingewiesen wird. Bis 1905 wurde es dreimal beim Poppe-Verlag neu aufgelegt. Als Starke im September 1905 verstarb, weiter großes Interesse an diesem Handbuch bestand, dass sowohl Anfänger als auch erfahrene Züchter ansprach, ließ der Verleger das Nachschlagwerk in Mitarbeit einer Reihe der damaliger Fachgrößen neu bearbeiten. Auch Karl MARPMANN brachte 1907 ab Auflage vier, bis zur Bearbeitung der 10. Ausgabe 1918, sein Wissen in dem nunmehr auf 283 Seiten angewachsene Buch, über die damals noch Belgische Riesenkaninchen genannte Rasse ein.
In jener Zeit entwickelte MARPMANN in der sich überall im Lande ausbreitende Sport- und Freizeitzüchter-Bewegung den Appell, nur Tiere von bestem Blut, also gesunde Tiere zu nehmen. Seine mehrfach geäußerte Formel wie mit kränklichen und fehlerhaften Tieren zu verfahren sei – „Schlage das armselige Tierchen mit trockenem Holz ins Genick und gib ihm kaltes Eisen (das Messer, BP) in die Kehl“, klingt für uns heutzutage brutal, dennoch hat die Sinnhaftigkeit des Weckrufs für eine frühzeitige Selektion auf alle Zeit ihre Gültigkeit behalten.
Als 1905 der einstige erste Vorsitzende des Bund Deutscher Kaninchen-Züchter und langjährige Sprechsaalbearbeiter, der wöchentlich erscheinenden Zeitschrift „Der Kaninchenzüchter“, Paul Starke verstarb, übernahm MARPMANN die Schriftleitung für jene Rubrik. Diese Aufgabe, die bei anderen derart gelagerten Blättern auch als „Fragekasten“ bezeichnet wurde, bestand darin, alle fachlichen Fragen der Leserschaft zu beantworten. Eine Aufgabe der damals sicherlich nur wenige gewachsen waren, denn die Antworten mussten stets fundiert sein, was eine stetige Belesenheit der Thematik voraussetzte. Wer sich die Mühe gemacht hat, die alten Jahrgänge des genannten Journals zu verinnerlichen, den wird aufgefallen sein, dass es immer mal wieder zum Meinungsstreit kam, was dann und wann bei der hier behandelten Person zur psychischen Belastung geführt haben muss. Auch wenn MARPMANN für seinen stetigen Einsatz ein kleines Honorar erhalten haben wird, kann man für die Beständigkeit, mit der er beinah zwanzig Jahre lang diese Aufgabe erfüllte, nur demutsvoll den Hut ziehen.
Karl MARPMANN sein Name war Zeit seines Lebens in den gesamten deutschsprachigen Kaninchenzüchterkreisen ein Begriff. Als zentrale Figur und mit dem Rang eines „Altmeisters“ dekoriert, leistete er speziell für die westfälische Rassekaninchenzucht wichtige Pionierarbeit.
1909, als der Verband der Kaninchenzüchter in Westfalen und Lippe in Dortmund aus der Taufe gehoben wurde, wählte man den ausgewiesenen Fachmann MARPMANN, der auch den bereits seit 1908 bestehenden Regionalverband Hamm anführte, mit einem weiteren Kollegen zum „Schiedsrichter“. So war es auch nicht verwunderlich, dass er 1911 sogleich 1. Vorsitzender der neugegründeten Preußischen Preisrichter-Vereinigung, Sektion Westfalen wurde, und erst 1923, gesundheitlich angeschlagen, diese Aufgabe zur Verfügung stellte.

Am 22. Februar 1922 verlieh man MARPMANN, neben den Experten Kleintierinspektor Karl Königs (1874-1936), Lehrer Peter Sporken und einstigen LV-Vorsitzenden Wilhelm Müller, als ersten die „Dr. phil. Friedrich Poppe Medaille“ (Abb.3), eine ganz besondere Auszeichnung für hervorragende Leistungen zur Förderung der aufblühenden Kaninchenzucht.
Die Medaille, welche wenig später für die anfangs erwähnte „MARPMANN Gedächtnis-Medaillen“ Pate stand, wurde nach Entwurf von einem gewissen Koebke aus Stettin gefertigt. Er fand die Anregung für die Gestaltung dieser Auszeichnung durch den fast ganzseitigen Textholzschnitt des Feldahorn (fand früher gelegentlich die Bezeichnung Maßholder), im „Kräuterbuch“ des deutschen Botanikers Hieronymus Bock (1498-1554), welches 1552 in lateinischer Sprache verfasst, unter dem Titel „De stirpium, maxime earum, quae in Germania nostra nascuntur, commentariorum libri tres“ in Straßburg erschien.
Vorderseitig ist der Kopf von Dr. phil. Friedrich Poppe, dem Herausgeber und Verleger von „Der Kaninchenzüchter Leipzig“, plastisch herausgearbeitet. Revers, also auf der Rückseite ist am Rand der Schriftzug „Für Hervorragende züchterische Leistungen zur Förderung der Kaninchenzucht“ eingefügt und die Mitte wird mit einem, dem besagten Holschnitt entlehnten, sinnbildlichen „Baum der Kaninchenzucht“, der sprießen möge, ausgefüllt. Die Herstellersignatur am Rand, „M & W ST“ für Mayer & Wilhelm in Stuttgart, belegt die Fertigungsstätte.
Die Gesamtauflage der Medaille belief sich auf 95 Stück. 33 Stück wurden dabei blank versilbert und wiegen 48 g, bei einem Durchmesser von 50,8mm und sind am äußeren Rand 3mm stark. Wir wissen, dass die besondere Ehrung 1927 letztmalig an dem 1939 verstorbenen Robert Klein aus Berlin-Wilmersdorf, für seine langjährige Förderung der Kaninchenzucht vergeben wurde. Von beiden Varianten dürften nur noch sehr wenige Stücke vorhanden sind.
Als MARPMANN unter großem Gefolge zu Grabe getragen wurde, wurde im Nachruf manifestiert, dass dafür zu sorgen ist, den Namen „Karl MARPMANN“ niemals zu vergessen und für immer mit der westfälischen Kaninchenzucht verknüpft bleiben zu lassen. In Folge wurde auf der Verbandstagung im Mai 1924 in Unna beschlossen, ab 1925 alljährlich eine „Karl-MARPMANN-Schau“ zu veranstalten, die alle bisher da gewesenen Provinzialverbands-Ausstellungen zu übertreffen sollte. Des Weiteren wurde eine Karl-MARPMANN-Stiftung ins Leben gerufen, welche den Beschluss zur Schaffung des Anfangs zitierten „Karl-MARPMANN-Gedenkmünze“ umzusetzen sollte.
Für alle an Geschichte interessierten, steht im Internetauftritt des Landesverbandes Westfälischer Kaninchenzüchter ein Blick in die stetig aktualisierte Chronik zur Verfügung. Dieser zeitlichen Aufstellung ist zu entnehmen, dass 1925 die erste „Karl-MARPMANN-Gedächtnisschau“ in Hamm begangen wurde, und in den folgenden Jahren an immer wiedermal wechselnden Orten Nordrhein-Westfalens. 1933 bekam die 8. Karl-MARPMANN-Schau den Namen „1. Westfalen-Schau“.1954 wurde die 18. Gedächtnisschau zu einem größeren Ereignis, denn sie wurde im Verbund mit der 1. Bundesschau des ZDK in Hamm durchgeführt, und das 25. Jubiläum dieses Events konnte man 1964 an seinem Ursprungsort in Hamm erleben.1968 findet man schließlich in der Retrospektive einen letzten Hinweis auf die Vergabe von Karl-MARPMANN-Medaillen an verdiente Züchterkollegen. Mit diesem Rückblick sollte der unvergessene Mentor der deutschen Rasse-Kaninchenzucht noch lange nicht aus unserem Blickwinkel verschwunden sein. Es ist schließlich so, wie der italienische Dichter und Philosoph Dante Alighieri (1265-1321) einst aufschrieb, „Wir leben, solange sich jemand an uns erinnert“, was anhand seines Vermächtnisses bestimmt auch auf Karl MARPMANN zutrifft.